
Das Gehirn-Unternehmen
Hörversion des Artikels:
Fakt ist: Innovationsgeist wird für Unternehmen überlebenswichtig. Das Neue kommt nicht von Menschen, die lediglich Aufgaben blind und unreflektiert wiederholen, es kommt aus der Fähigkeit, Probleme zu identifizieren und bisher noch nicht gedachte Lösungen zu finden. Manche Menschen arbeiten und denken in innovativen Strukturen, andere nicht. Und dies unabhängig von der Arbeitstätigkeit oder Berufsspezialisierung.
“Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.” – Henry Ford
Ein weiterer Fakt ist, dass die Zahl der Menschen steigt, die in neuen Denkstrukturen unterwegs sind. Das ist eine der größten disruptiven Kräfte des Internets. Es änderte die Denkart der Menschen. Unser Informationszeitalter hat uns, anders als manche Meinungsführer behaupten, nicht zur Demenz geführt, sondern zu Wissensarbeitern gemacht. Dies birgt enorme Chancen für Unternehmen der nächsten Generation. Aber wie wird der Begriff Wissensarbeiter ursprünglich definiert?
… sind diejenigen Arbeiter, die nicht für ihre körperliche Arbeit und manuellen Fähigkeiten bezahlt werden, sondern für die Anwendung ihres erworbenen Wissens. [vgl. Drucker 2004, p. xvii]
Wissensbasierte Arbeit, wissensintensive Arbeit, Wissensarbeit (1)
Die Frage aber ist: Was für ein Wissen ist gemeint? Oder: Was ist Wissen überhaupt? Woher kommt es und wofür nutzt man es? Ich gehe hier lediglich auf die Beantwortung der letzten Frage ein: Wofür? Denn es erscheint mir schwierig, Wissen zu definieren, ohne dass die Tätigkeit einbezogen wird, wofür es gebraucht wird. Bei jeder Tätigkeit wird ein bestimmtes Wissen gebraucht oder eben ein Nichtwissen:
- Wissensbasierte Arbeit: Tätigkeiten, bei denen Erfahrung und Wissen eine Rolle spielen (letztlich fast alle menschlichen Tätigkeiten).
- Wissensintensive Arbeit: Tätigkeiten, die eine umfassende Ausbildung beziehungsweise langjährige Erfahrung in einem bestimmten Fachgebiet voraussetzen.
- Wissensarbeit: Tätigkeiten, bei denen das einmal erworbene Fachwissen nicht ausreicht, sondern die erfordern, „dass das relevante Wissen (1) kontinuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungsfähig angesehen und (3) prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, sodass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind.“ (Willke, 2001).
Wissensarbeit ist damit schon mal kein Beruf, denn sie basiert nicht auf Tätigkeiten, die eine umfassende Ausbildung in einem bestimmten Fachgebiet voraussetzen. Das lässt sich auf jede Aktivität oder jedes Berufsfeld im Unternehmen übertragen. Es handelt sich um die Fähigkeit, das eigene Fachwissen mit der persönliche Erfahrungskompetenz zu verbinden und dynamisch und kreativ in Unternehmensprozesse einzubringen. In anderen Worten, man stellt keinen Wissensarbeiter ein, sondern einen Arzt, einen Rechtsanwalt, einen Ingenieur, einen Callcenter-Mitarbeiter oder Reinigungskräfte, die folgenden Eigenschaften mit sich tragen:

Quelle: „Gesellschaft für Wissensmanagement e.V.
(Hrsg.) (2011): GfWM-Positionspapier Wissensmanagement und Enterprise 2.0.
Eine neue Denkkultur produziert unternehmerische Kraft
Unternehmen verpassen eine große Chance, wenn sie das wissensunabhängige, kreative Denkpotenzial ihrer Mitarbeiter nicht nutzen. Denn Unternehmen werden in naher Zukunft nicht danach bemessen, wie sie “körperlich oder manuell” etwas bewältigen, sondern wie viel brauchbares Wissen als unternehmerische Kraft produziert werden kann, um nicht nur Effizienz und Produktivität, sondern auch den Umsatz zu steigern. Damit das Wissen im Unternehmen bezogen auf Schnelligkeit und Qualität wachsen kann, ist es notwendig, dass sich das Unternehmen der neuen Denkkultur öffnet.
Stolpersteine des Wandels
Schönheit kommt bekanntlich von innen, und das gilt auch für Unternehmen. Die von Kunden ersehnte aktive und offene Kommunikation im Netz, neben besseren Produkten und angepassten Dienstleistungen, werden letztlich nur dann erzielt, wenn diese neue Kultur der Wissensarbeit im gesamten Unternehmen verankert ist oder dort recht bald umgesetzt wird.
Das erfordert, dass Unternehmen ihre Grundhaltung gegenüber ihren Mitarbeitern revidieren und die internen Organisationsstrukturen für das neue Mindset öffnen. Bisher orientieren sich Unternehmensstrukturen vor allem an zuverlässig funktionierenden Wiederholungstätern, nötig ist aber ein grundsätzlicher Kulturwandel.
Eine Kultur für das Enterprise 2.0
In einem Positionspapier „Wissensmanagement und Enterprise 2.0“ der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. (GfWM) (1) werden die kulturellen Merkmale für ein zeitgemäßes Enterprise 2.0 aufgelistet, die sich aus den charakteristischen Eigenschaften der Wissensarbeit ableiten.
- Polyphonie und bottom-up: an die Stelle der hierarchischen Zweiteilung zwischen “Arbeiter” (Handarbeiter) und “Manager” (Kopfabeiter) tritt das gemeinsame Tun, das Erschließen der so genannten “Crowd Intelligence”, also das Nutzen der kollektiven Intelligenz in der Organisation und die Wertschätzung der unterschiedlichen einzelnen “Stimmen”. Initiativen gehen nicht unbedingt von der Führung aus, sondern von jeder beliebigen Stelle in der Organisation. (2)
- Selbstorganisation und Mündigkeit: die Organisationsmitglieder fühlen sich in der Folge auch für das “große Ganze” verantwortlich, haben aber gleichzeitig die notwendigen Freiräume, sich und ihre Arbeit im Sinne dieses geteilten “großen Ganzen” zu verwirklichen. Nach Charles Ehin ist dies ein zutiefst menschliches Bedürfnis (Davey, 2011): “Consequently, people need freedom to explore and interact with individuals who are part of their immediate surroundings in order to find their specific footing regarding their unique talents, skills and experiences. Discovering what roles they can meaningfully play in varying social settings is an important continuous effort for everyone.”
- Vernetzung: die Organisationsmitglieder sind nicht (nur) entlang einer klar strukturierten Hierarchie verbunden, sondern in ein komplexes Netzwerk eingebunden, und dies nicht nur innerhalb der Organisation, sondern auch über deren Grenzen hinaus.
- Irritierbarkeit und Veränderungsbereitschaft: die Organisation lässt sich irritieren, das heißt zu Veränderungen anregen (im Gegensatz zur notwendigen Stabilität der Enterprise-1.0-Unternehmuen). Dies setzt Offenheit auf allen Ebenen (Individuum, Team, Gesamtorganisation) voraus. Die Grenzen zwischen Innen und Außen der Organisation verschwimmen.
- Sinn und Spaß: Arbeit wird als sinnvoll empfunden und macht Spaß (intrinsische Motivation).
“Das Motto von ´You cannot manage what you cannot measure` hat ausgedient, denn in einem lernenden, vernetzten, selbstorganisierten und komplexen Enterprise 2.0 greifen quantitative Messmethoden immer weniger. An die Stelle von Kontrolle tritt zunehmend Vertrauen.”
Der kulturelle Wandel in Unternehmen ist inzwischen nicht mehr eine Option unter vielen Möglichkeiten, sondern ein Muss. Denn es gibt einfach keine andere Lösung. Wir leben in spannenden Zeiten.
Vernetzt Euch!
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