Originaltext aus „The Third Club„: Lieber CEO, sag mir WARUM!?
Ralf Schwartz
WARUM stellt Ihr das her? WARUM verdammtnochmal steht Ihr jeden Morgen auf?
I. Prolog
Unsere Wirtschaftswoche-Online-Kolumne dieser Woche ist online: Liebe Werbung, sag mir WARUM?.
II. Das Dingens in der Mitte
Matthias hatte gestern zu unserer Wiwo-Kolumne eine Frage, die ich (auch) hier beantworten möchte, da meine Antwort während des Schreibens immer grundsätzlicher wurde. Matthias schrieb:
„… danke für den guten, wahren Text …
Was mich brennend interessieren würde:Was glaubst Du, dass all diejenigen Unternehmen machen sollen/müssen/können, die gar kein Warum? haben? Sind die dazu verdammt, früher oder später automatisch zu verschwinden? Sind die Märkte stark und intelligent genug, um diese auszusortieren?
Oder ist es vielleicht so, dass ein Warum? jedem Unternehmen innewohnt, selbst wenn es tief verschüttet irgendwo unerkannt auf seine Wiederentdeckung wartet?
Und wenn ja, wie „zwingen“ wir Unternehmen dazu, diese verloren geglaubten Schätze zu heben und wieder in die Leitlinien zu integrieren? …“
Hier meine Antwort, die ich in ihrer Ausführlichkeit dem Wirtschaftswoche-Online-Leser nicht zumuten wollte:
Lieber Matthias,
Jedes Unternehmen hat mit der Antwort auf die Frage WARUM? begonnen, denn die zentrale Idee zur Gründung war die Lösung eines Problem, einer Sehnsucht, eines Traumes.
Damals waren die Chefs Gründer und blieben in der Folge Unternehmerpersönlichkeiten.
Später wurden die Unternehmen von Managern übernommen, das war in den allermeisten Fällen der Anfang vom Ende. Marken und Produkte verkamen zum bloßen Mittel zum Zwecke der Bonussicherung und einer aalglatten Karriere. Egal, ob es sich um eine Agentur oder das Unternehmen selbst handelte.
Viele erklären diese Entfremdung mit dem Lauf der Zeit, andere sagen, die Arbeitsteilung habe zur Entfremdung vom fertigen Produkt gehört – und zur Gleichgültigkeit ihm gegenüber.
(Das nachfolgend Eingerückte ist nicht Teil meiner Antwort in der Wiwo, rs)
Um es anders, vielleicht romantisch, zu erklären: Das ‚Feuer in uns allen‘ wurde immer unwichtiger, der ‚Neid in den Augen der anderen‘ wurde zum alles entscheidenden Trieb.
Unternehmen aber, die agieren, statt zu reagieren, Unternehmen, die eine Vision haben, nicht nur Quartalsziele, haben eine ganz andere Selbst-Bewußtheit, haben eine Innere Ruhe, eine Sicherheit, die sie schlafwandlerisch das Richtige tun lässt.
Ich weiß, das hört sich für manche sehr esoterisch an, aber genau das ist das Problem. Wir fühlen uns unserer Arbeit, unserer Leistung, unserem Unternehmen und unseren Marken nicht mehr verbunden.
Emotionen sind verpönt, scheinen Schwäche zu offenbaren…… und doch träumen wir alle von der Liebe. Warum verdammtnochmal lassen wir sie dann nicht hinein in unsere Arbeit, in unser Leben, in unsere täglichen Begegnungen mit Kollegen, Lieferanten, Kunden?
Warum lieben wir nicht mehr, was wir tun? Warum ist unsere Arbeit nicht mehr unser Herzblut? Warum sind wir innerlich zu toten Zynikern geworden, die sich dem Wahnsinn der Normalität hingeben, aber keinen Millimeter mehr über die Stränge schlagen? Warum lieben wir es, so feige, angepasst und rückwärts-gerichtet wie alle anderen zu sein?
Wahren Erfolg kann man damit nicht haben. Wir schlagen uns so durch. Wahre Erfüllung kann man darin nicht finden. Wir ertragen es. Wahrnehmung und Sinne sind auf ein Minimum reduziert. Wir sind taub und blind.
Taub und blind. Denn alles andere würde uns zerreissen, würde uns weinend, schreiend, still zusammenbrechen lassen.
Geld muss uns wärmen, muss uns ablenken vom Schmerz. Und das gelingt immer seltener. Die Leere wird immer größer. Die Sehnsucht immer heftiger. Der Herzschlag immer kräftiger, der uns mahnt. Immer lauter, immer fordernder. Unerträglich. Geld immer weniger wert. Ersatzbefriedigung immer seltener wirksam. Profit immer profaner.
Und die meisten merken es nichteinmal. Wie also soll man ihnen helfen? Wie soll man sie zwingen? Wenn sie selbst nicht merken, dass sie selbst etwas ändern müssen, können wir ihnen nicht helfen. Waste of Time, Money, and Human Resources. Wir können nur mahnen – und es selbst besser machen.
III. Epilog
Ohne meine eingerückte Antwort zu kennen, kommt Daniela in ihrem Kommentar auf den Punkt, auf das Wort nämlich, das mir die ganze Zeit auf der Zunge lag, nicht aber aus meinen fleissigen Fingern floss: SEELE.
„Möchte man in verkrusteten Unternehmen, die auf der Stelle treten ernsthaft (!) ein Leitbild entwickeln, stehen wir immer wieder vor der Frage dieses Warums. Und wenn der Knoten nicht platzen will, fragen wir nach der Idee des Gründers, die es irgendwann einmal gegebem haben muss – für das Produkt, das Unternehmen. Ab diesem Punkt wird es meinstens konkret und bekommt wieder Seele. In diesem Sinne, schön gefragt, lieber Matthias und schön geantwortet, lieber Ralf.
Herzliche Grüße aus Mainz, Daniela“
Danke Daniela.
Über den Autor:
Ralf Schwartz ist Leadership Strategist und Co-Initiator von „The Third Club“. Zusammen mit Club-Co-Initiator Thomas Koch führt er die Agentur-Beratung Craft&Vision. Diese Kolumne beruht auf dem C&V-Blog.
Danke Ralf!
Diese Sache der Seelenlosigkeit von Produkten/Unternehmen ist sicherlich auch das Problem von vielen bewussten Marketing/Werbung-Leuten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Arbeit von denen hauptsächlich darin besteht, eine Seele aus der Seelenlosigkeit rauszuholen, sodass sie mit dem was sie machen auch persönlich zufrieden werden können.
Es gelingt allerdings nicht immer so richtig. Im Grunde eine frustrierende Aufgabe, denn sie versuchen etwas zu tun, was eigentlich vom Unternehmen gegeben sein sollte.
Man kann natürlich immer aus Zombie-Produkten eine sehr schöne und ausgeklügelte Werbekampagne machen, aber leider ist das ein künstlich aufgepuschtes Erzeugnis der Marketing- und Werbeagenturen, die ihre Arbeit gut machen wollen und Zahlen produzieren müssen. Es ist eine von den Auftraggebern vorgegebene Prämisse: erfinde mein bereits auf dem Markt vorhandes Produkt neu. Eine Meisterleistung. Vielleicht sollten wir dieser Art von Marketing-Leuten, (die so denken wie im Artikel) eine Probezeit in der Führung eines Unternehmens gönnen.
Hm, leider ist es komplizierter. RICHTIGE Marketingleute hätten auch die Verantwortung für das Produkt selbst, nur die heutigen machen nur noch Werbung (Promotion), weil sie selbst nichts anderes mehr können und das Unternehmen ihrem Bereich längst die anderen 3 Ps (Product, Price, Place) aberkannt hat.
Sie – bzw. das Unternehmen – ist also selbst schuld und sich im Zweifel nicht bewusst, was da gerade schief läuft …